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Proud @ codecentric 🏳️‍⚧️

15.6.2021 | 8 Minuten Lesezeit

Pride Month ist vielleicht eine kommerzielle Werbewüste, aber trotzdem bietet es mir den Anlass, diesen Blog-Eintrag zu schreiben. Anders als meine normalerweise sehr technischen Blogeinträge ist dieser persönlich und geht um mich.

Hi, mein Name ist Elisabeth Schulz. Wie einige meiner Leser vielleicht wissen, bin ich transgender. Ich wurde unter einem anderen Namen geboren und habe eine Geschlechtsidentität, die von derjenigen abweicht, die mir bei meiner Geburt zugewiesen wurde. In diesem Blogeintrag möchte ich mich kurz dazu äußern, wie meine Arbeit bei codecentric durch diese Tatsache beeinflusst wurde, welche Konsequenzen das Ganze hatte und wie ich heute damit umgehe.

Was dieser Text natürlich nicht ist und auch gar nicht sein kann, ist die letztendliche Antwort auf alle Themen, die Trans-Menschen betreffen. Er ist das weder im Bezug auf codecentric noch zu anderen Themen. Er gibt nur meine persönlichen Erfahrungen und Eindrücke wieder, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Arriving @ codecentric

Als ich mich Ende 2018 endgültig zur Transition entschloss, war mir klar, dass dies auch Einfluss auf meine berufliche Tätigkeit haben würde. Mein damaliger Arbeitgeber war zwar nicht aktiv ablehnend, aber mit Unterstützung und Verständnis habe ich trotzdem nicht gerechnet. Eher damit, gegen unterschwellige Wände zu laufen und auf Hindernisse zu stoßen. Deshalb suchte ich gezielt nach LGBTQIA+-freundlichen Arbeitgebern. Hier hatte die codecentric AG in einigen Gesprächen einen guten Ruf.

Also habe ich mich bei codecentric ganz klassisch mit Anschreiben und Lebenslauf beworben. Anfangs versuchte ich, mir erst einmal nicht zu sehr in die Karten schauen zu lassen. Alles ging also seinen normalen Weg, bis auf eine Kleinigkeit: Ich habe im Vorstellungsgespräch schon vorsichtig angefragt, wie denn die Einstellung zu Diversity & Inclusion ist. Daraufhin wurde mir gesagt, dass das schon eines der Ziele der Firma ist, und auf die (damals noch nicht so verbreitete) Charta der Vielfalt verwiesen, die die Firma zu diesem Zeitpunkt gerade im Inbegriff war, zu unterzeichen. Ich entschied mich auch deshalb, diese Chance zu nutzen, und wurde angenommen.

Der Blick von innen

Einmal in der Firma angekommen, war das Ergebnis erst einmal etwas ernüchternd. Es gab zwar einen Slack-Kanal zum Thema, aber die meisten Kolleg*innen waren doch eher „freundlich desinteressiert” – aber zumindest nicht passiv ablehnend, wie in meiner vorherigen Firma. Für eine IT-Beratung war allerdings die Frauenquote sehr gut. Andererseits gab es aber auch nur eine Damentoilette gegen drei Herrentoiletten, was eine gewisse „in Architektur gegossene Erwartungshaltung” spiegelt. Erst einmal also gemischte Gefühle, und daher auch eine gewisse Vorsicht.

Diese anfängliche Unsicherheit legte sich recht bald, auch als ich ins Gespräch mit meinem direkten Unit-Leiter kam. Er nahm mich sofort ernst und ich glaube, er vermutete auch sehr schnell, dass bei mir etwas „im Busch” war. Menschlich und dienstlich klappte es sehr gut, aber ich habe mich trotzdem entschlossen, die Probezeit abzuwarten. Nicht, weil ich von Problemen ausging – einfach nur, weil die Chance nicht 0 war, und ich sowieso noch andere Themen angehen musste (eine eigene Wohnung finden, …).

Coming out @ codecentric

Ende 2019 war es dann soweit: Ich hatte alles vorbereitet und musste im Grunde nur noch „den Hebel umlegen”. In meinem Kopf spukten die ganzen Ängste herum, mit denen sich viele Trans-Menschen an diesem Punkt herumplagen: Schaffe ich es, mein Leben nochmal um 180° zu drehen? Mache ich gerade einen Fehler? Wird mich der Schritt meine Karriere kosten?

Die Vorbereitung

Zum Glück gibt es bei codencentric eine Institution, die sich um das Wohlergehen der Mitarbeiter*innen kümmert: das Feelgood-Management . Ich bin in Solingen, in den Headquarters und am Sitz des Feelgood Managers, tätig, sitze also sozusagen an der Quelle. Also machte ich einen Termin mit Nick, Leiter des Feelgood Managements. Das war kurzfristig möglich, also wartete ich, bis er im Konferenzraum angekommen war, und eröffnete das Gespräch mit einem einfachen Satz: „Nick, ich bin trans und werde zukünftig weiblich präsentieren. Wie mache ich das, so dass die Firma damit gut klar kommt?”

Das war dann vielleicht im Rückblick nicht die geschickteste Eröffnung für so ein Gespräch, denn Nick ist als Feelgood Manager zwar einiges gewöhnt, aber das war bisher wirklich noch nicht vorgekommen. Ich war buchstäblich die Erste. Sobald dieser Paukenschlag aber verhallt war, ging das Gespräch sehr positiv weiter. Es ging im Folgenden nur noch darum, wie die Firma mich in dieser Wandlung begleiten konnte, und wie man die nötigen Schritte am geschicktesten durchführen würde. Aber natürlich auch, was das für Kolleg*innen und mich bedeuten würde. Eine der wichtigen Fragen war schließlich, wie ich die Nachricht an meine damals um die 500 Kolleg*innen weitergeben konnte.

Nun gibt es bei codecentric eine schöne Tradition: die „Personal Introduction”. Ein kurzer Artikel in unserem internen Blog, in dem sich jede Person, die bei codecentric neu anfängt, kurz vorstellt: Wer bin ich, was mache ich bei codecentric, was mache ich abseits der Arbeit so. Eine Art kleiner Eisbrecher, der es dem Rookie möglich macht, mit Kolleg*innen ins Gespräch zu kommen. Nun würde ich eine „Personal Re-Introduction” verfassen, um alle gleichermaßen auf den neuen Stand zu bringen.

Die Reaktion

Genau das habe ich auch getan und die Reaktion war kurz gesagt überwältigend. Der Vorstand gratulierte mir innerhalb weniger Minuten per Kommentar, dutzende Kolleg*innen sprachen ihre Unterstützung aus. Ich war erleichtert ohne Ende, vor allem, weil ich auch auf anderen Kanälen keine einzige negative Reaktion bekam.

Nur eine einzige Anekdote möchte ich doch zum Besten geben: Am folgenden Tag, noch immer halb schwebend vor Erleichterung, wagte ich es dann das erste Mal, weiblich präsentierend zur Arbeit zu fahren: Kleid, Lippenstift, Makeup, Strumpfhose. Ich wusste zwar noch nicht, dass weniger oft mehr ist, aber ich war mit Feuereifer dabei und traf einen Kollegen in der Kaffeeküche. Er sah mich an. Einmal. Zweimal. Mein Herz sackte in die Strumpfhose, und ich wartete. Dann meinte er: „Öfter mal was anderes, huh?” Ich nickte nur und ging dann schnell an meinen Platz. Hatte ich mich doch geirrt? Nein! Der Kollege hatte nur schlicht den Artikel nicht mitbekommen und kam kurz darauf zu meinem Platz, um sich zu entschuldigen.

Sicher, es gab einige Rückfragen, damit hatte ich gerechnet. Einige Gespräche in der Kaffeeküche oder auf dem Sofa, wo die üblichen Fragen kamen: Seit wann ist dir das klar? Wie fühlt sich das an? Was hast du vor jetzt zu tun? Alles im Grunde höflich und ohne allzu sehr ins Detail zu gehen. Hin und wieder musste ich eine Grenze setzen, wo es zu persönlich wurde, aber viel seltener, als ich befürchtete. Und ansonsten? Meine neue E-Mail-Adresse hatte ich innerhalb von Stunden, und genauso neue Zugänge zu unseren internen Systemen. Die einzige Stelle, an der mein Deadname gezwungenermaßen noch stand, war meine Lohnabrechnung – denn der Staat ist um ein Vielfaches komplizierter und alles, aber nicht entgegenkommend.

Working @ codecentric

Wie wirkt sich also meine Identität auf meine Arbeit aus? Zum Glück gar nicht, würde ich sagen. Code ist es tatsächlich relativ egal, wie die Person aussieht, die ihn schreibt. Auch die Physiologie macht keinen entscheidenden Unterschied.

Was allerdings einen Unterschied macht, ist, wie mit mir umgegangen wird. Eine meiner größten Sorgen war, dass Kunden eventuell nicht mehr mit mir arbeiten wollten, oder die Eingaben, die ich machte, mehr infrage stellen würden, als das vorher der Fall war. Klar würde niemand offen sagen, dass meine Identität der Grund dafür wäre, aber ausschließen konnte es trotzdem niemand.

Zum Glück ist das bisher niemals vorgekommen. Der Kunde, bei dem ich im Einsatz war, als ich mich zum Coming-out entschied, reagierte im Gegenteil ganz hervorragend – will sagen: Er hat mir eine neue E-Mail-Addresse gegeben und meinen neuen Namen übernommen. Mehr hatte ich gar nicht erwartet. Und dieses Muster setzt sich in der überwiegenden Mehrheit der Fälle auch fort. Schwere Vorfälle gab es nie, im Gegenteil. Ich habe seitdem begonnen, auch verstärkt als Schulende und Vortragende zu arbeiten, und auch dort eigentlich nur Gutes erlebt.

Natürlich gibt es nicht ausschließlich nur so tolle Kunden. Es gibt auch Momente, in denen ich mit den Zähnen knirsche – wenn beispielsweise jemandem betont immer wieder „Er” herausrutscht, sobald nicht mehr mit mir, sondern über mich gesprochen wird. Auch das gibt es leider und ich habe mich entschieden, das Ganze aktuell nicht zu thematisieren. Den einen oder anderen verdeckten Seitenhieb habe ich auch abbekommen, sicher. Das passierte aber nie auf einem Level, dass ich wirklich verletzt gewesen wäre. Offene Aggression oder Einschüchterung hätte ich auch nicht hingenommen, sondern an meinen Unit-Leiter gemeldet und dann wäre die Sache sehr schnell vorbei gewesen.

Proud @ codecentric

Wie kann das sein? Eine Trans-Geschichte, die nicht mit Leid, Ablehnung und großen Problemen gespickt ist? Ist trans nicht gleichbedeutend mit Pariah? Und nicht ein Kindheitstrauma wurde erwähnt! Das mag nach einigen Darstellungen fast schon wie eine absolute Ausnahme wirken. Tatsächlich aber ist mein Leben heute um so viel besser, als es an jedem anderen Punkt meiner Geschichte war. Ich kann morgens aufwachen und habe nicht das Gefühl, vor dem Frühstück schon einen Halbmarathon gelaufen zu sein. Ich kann leben, ich kann lachen und ich kann mich in meinem Körper wohl fühlen auf eine Art, die jemand, der es immer getan hat, vielleicht nur schwer nachvollziehen kann. Dysphoria war wie ein Rücksack, den ich mein ganzes Leben mit mir herumgeschleppt hatte und nun endlich ablegen konnte.

Klar, ich könnte hier von meiner Kindheit erzählen und was es für „Zeichen” gegeben hat. Ausbreiten, wieso es so lange gedauert hat, bis ich zu mir stehen konnte. Aber wem würde das helfen? Mir nicht, und ich glaube, den meisten Leser*innen auch nicht.

Die Firma steht auf meiner Seite, da bin ich mir sicher. Meine Kolleg*innen schätzen meine Arbeit, mein Unit-Leiter geht mit mir wie mit allen anderen Mitarbeiter*innen um. Gelegentliche kleine Probleme gehören mit dazu, aber in Summe könnte ich mir einen besseren Arbeitgeber nicht wünschen.

Was bleibt also am Abschluss zu sagen? Ich bin trans – und das ist auch gut so. Und wenn ich meine Leser*innen kurz persönlich ansprechen darf: Wenn du auch trans bist, dann glaub mir – es lässt sich so leben. Es gibt Orte, wo du sein kannst, wo du akzeptiert wirst und für dich selbst geschätzt wirst. Habe den Mut, zu dir zu stehen. Ich drücke euch die Daumen, Geschwister.

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