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Mentale Gesundheit – Chancen und No-Nos als Facilitator

21.7.2022 | 4 Minuten Lesezeit

Spätestens seit re:Work wissen wir: Psychologische Sicherheit ist ein Schlüsselfaktor für erfolgreiche Teams. Wir bei der codecentric AG glauben darüber hinaus nicht erst seit Corona, dass mentale Gesundheit ein wichtiger Grundpfeiler dessen ist. Leider sehen wir in unseren Projekten immer wieder Situationen, in denen dies nicht berücksichtigt wird und geben hier ein paar Tipps, wie ihr als Facilitators eure Meetings ein bisschen gesünder gestalten könnt.

Aber lasst uns mit einer typischen Situation wie aus dem Bilderbuch beginnen:

Es ist Mittwoch, 15 Uhr und die nächste Retrospektive steht an. Die Zoom-Session füllt sich, die Kameras sind aktiv und wir starten.

Beim Check-In schreibt eine Kollegin: „What a week, huh?“

Ein Kollege antwortet: „Captain, it’s Wednesday“

Manche amüsiert es, einige pflichten bei. Es war schon jetzt eine anstrengende Woche.

Egal, wir ignorieren das erstmal. Wir sind ja schließlich der festen Überzeugung, dass Retrospektiven ein wichtiges Arbeitsmeeting sind! Das heißt: Wir wollen Ergebnisse und alle sollen sich mal für die nächsten 90 Minuten zusammenreißen.

Oder?
ODER?

Vielleicht muss das auch nicht sein. Wir geben euch aus unserer Erfahrung einige Tipps, die für ein angenehmeres und mental gesünderes Arbeitsklima sorgen können.

Tipp #1 für eine bessere mentale Gesundheit: Wählt euren Termin sorgfältig, seid empathisch und flexibel

Vor ein paar Jahren haben wir Moderator*innen uns darüber ausgetauscht, was der produktivste Tag für Sprintwechsel und Retrospektive ist. Wir wollten ja das Meiste dabei rausholen.

Heute denken und wissen wir anders: Wir betreiben Erwartungsmanagement.

Eure Meetings sollten einen kleinen Teil eurer Arbeitszeit ausmachen. Ist ein Meeting mal nicht so produktiv, macht ihr das sicherlich in eurer täglichen Arbeit wieder wett.
Jede Person hat ihre eigenen Produktivitätsphasen. Das kann eher morgens, nachmittags oder sogar nachts sein. Dazu können weitere Faktoren wie die individuelle Schlafgesundheit, die Lichtversorgung, Ernährung, Bewegung kommen. Kurz: euer Lifestyle. Und wenn wir auch nicht immer auf alle individuellen Befindlichkeiten eingehen können, so können wir wenigstens versuchen, einen Termin zu finden, der ein guter Kompromiss für alle ist.
Ist gerade schlechte Stimmung? Ist jemand sichtlich nicht für eine Retrospektive eingestimmt? Seid pragmatisch. Ihr könnt euren Termin verschieben, ausfallen lassen, umgestalten. Vielleicht habt ihr auch eine gute Idee für eine „Wellness-Retro“, die ausschließlich die positiven Aspekte der Zusammenarbeit beleuchtet. Oder eine Person (wenn es nur die eine ist) darf sich etwas zurückziehen.

Und damit kommen wir zu unserem nächsten Punkt:

Tipp #2 für eine bessere mentale Gesundheit: Stille Teilnahme ermöglichen (=niemanden aus der Reserve locken)

Es gibt immer einen Grund, warum jemand mal nicht so engagiert ist oder keine Lust hat, im Scheinwerferlicht zu stehen (AKA: der grüne Rahmen im Zoom liegt über eurem Bild 🙂).

Baut in eure Moderation Elemente ein, die stille Teilnahme ermöglichen. Die Methode 1-2-4-all von Liberating Structures ist super, hier kann jede*r zuerst alleine an einer Fragestellung arbeiten, dann aufbauend auf dieser stillen Reflexion zu zweit, dann zu viert und so weiter. Erst im Plenum werden Ergebnisse besprochen.

Und hier empfehlen wir direkt eine Alternative zu „die Gruppe stellt vor”: Macht in den Gruppen einen (mglw. stillen) Walkaround über die jeweiligen Arbeitsbereiche der anderen Gruppen auf dem Whiteboard. Etwaige Nachfragen werden als Post-It notiert und nach dem Rundgang im Plenum besprochen.

Tipp #3 für eine bessere mentale Gesundheit: Vorbereitung ermöglichen

Nicht alle Menschen sind auf Knopfdruck kreativ. Gerade eher introvertierte Personen werden die Möglichkeit schätzen, sich vorbereiten zu können. Das heißt nicht, dass ihr tage- und wochenlang Listen führen sollt, um euer Thema in der Retrospektive anzubringen. Da ist der kürzeste Weg das schnelle Gespräch.
Aber die Agenda einen Tag vorher zu kennen und 1-2 Aufgaben oder Leitfragen im Vorfeld reflektieren zu können kann helfen, auch von ruhigeren Personen eine gute Mitarbeit erhoffen zu können.

Aber es muss ja auch nicht immer die Retrospektive sein, bei Amazon z. B. wurden die Powerpoints verbannt und es wird kollektiv gelesen .

Was haltet ihr davon, habt ihr das schon mal ausprobiert?

Tipp #4 für eine bessere mentale Gesundheit: Macht doch mal das Video (für euch) aus

Wir lieben es, wenn alle Teilnehmer*innen motiviert sind und wir eure Reaktionen sehen können. Aber ist das tatsächlich immer notwendig? Und tut uns das gut? Anscheinend nicht .

Nun, dieser Tipp funktioniert in zwei Stufen: Versucht im ersten Schritt mal, euren eigenen Videofeed auszuschalten.

Die anderen sehen euer Bild noch, aber ihr checkt nicht die ganze Zeit euer Erscheinungsbild auf dem Monitor. Das reduziert die mentale Last schon mal deutlich.
Sollte euch das noch nicht reichen, schaltet euer Video ganz aus. Ob mit Ankündigung oder ohne – es sollte zu den Working Agreements eines jeden verteilten Teams gehören, dass dies möglich ist. Dies kann auch durch eine sorgfältige Moderationsvorbereitung gezielt als Stilmittel eingearbeitet werden!

Tipp #5 für eine bessere mentale Gesundheit: Offen über Energielevels sprechen

Es gibt Tage, da ist einfach nichts zu holen. Man hat schlecht geschlafen oder kommt aus anderen Gründen einfach nicht in die Gänge. Das kommt vor und ist OK.

Wichtig ist, einen Raum zu schaffen, wo das angesprochen werden kann.

Das beugt Missverständnissen vor, die die Zusammenarbeit zusätzlich erschweren können. Ein kleiner Check-In am Anfang eines Meetings kann helfen, niedrige Energielevels ansprechbar zu machen und Bedürfnisse zu äußern.

Quelle: retromat.org, gezeichnet von Anh Bui

Vielleicht reicht es ja dann schon, eine stille Teilnahme am Termin zu vereinbaren (siehe Tipp #2). Oder man findet einen Weg, wie man die Person aus dem Meeting „entlassen“ und im Nachgang einen Wissenstransfer garantieren kann. Damit vermeidet man, dass der Eindruck entsteht, ein*e Kolleg*in wäre desinteressiert oder eingeschnappt, wenn er oder sie in Wirklichkeit müde oder traurig ist.

Was meint ihr dazu? Welche Ideen möchtet ihr beisteuern? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!

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